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15. Okt 2022 Martin Rossol Verbandarbeit & Ideelles

Kämpferin mit Herz: Nachruf auf Barbara Stamm

Über 20 Jahre lang hat Barbara Stamm die Lebenshilfe in Bayern mit ihrer Persönlichkeit geprägt. Dabei hat sie denen eine Stimme gegeben, die in der Gesellschaft oft übersehen werden. Ein Nachruf der Lebenshilfe Bayern auf eine Kämpferin mit Herz.


Barbara Stamm war von 2001 bis zu ihrem Tode Vorsitzende des Lebenshilfe-Landesverbandes Bayern. Davor und während ihres Vorsitzes hatte sie verschiedene politische Ämter inne: Mitglied des Bayerischen Landtags, Staatssekretärin im Bayerischen Staatsministerium für Arbeit, Familie, Frauen und Gesundheit, Staatsministerin im Bayerischen Staatsministerium für Arbeit Familie, Frauen und Gesundheit, Vizepräsidentin und Präsidentin des Bayerischen Landtages.

Ihr vielfältiges Engagement spiegelt sich in der Bandbreite ihrer Ehrungen und Auszeichnungen wider, wie das Bundesverdienstkreuz am Bande, die Medaille für besondere Verdienste um Bayern, der Bayerische Verdienstorden, die Ehrenbürgerschaft der Stadt Würzburg sowie die Bayerische Sozialmedaille, um hier nur einige der vielen Auszeichnungen zu nennen. Auch bei der Lebenshilfe hat Barbara Stamm für ihr außerordentliches Engagement höchste Auszeichnungen erhalten: Die Goldenen Ehrennadeln der Bundesvereinigung Lebenshilfe und die des Landesverbandes Bayern.

Barbara Stamm engagierte sich seit vielen Jahrzehnten – bereits vor ihrer Zeit als Landesvorsitzende – persönlich und politisch für die Belange und Rechte von Menschen mit Behinderungen und deren Angehörigen. Dabei hat sie denen eine Stimme gegeben, die in der Gesellschaft oft übersehen und nicht gehört werden. Barbara Stamm hat den Menschen mit Behinderungen und deren Angehörigen aufrichtig zugehört, und vor allem hat sie sich immer die Zeit dafür genommen – egal wie viel Termine sie hatte und egal wie groß oder klein das Anliegen war. Sie hat die Ängste, Nöte und Sorgen immer ernst genommen.

Mischung aus Herzlichkeit und Hartnäckigkeit

Unermüdlich, mit einer Mischung aus Herzlichkeit und Hartnäckigkeit, sowie mit einer bewundernswerten Zielstrebigkeit und Klarheit hat sie nach Lösungen gesucht, immer im Sinne der Menschen. Sie hat erst lockergelassen, wenn gute Lösungen für die Betroffenen erreicht gewesen waren.

Ihr Wirken hat in der Lebenshilfe-Familie und auch in weiteren sozialen Bereichen tiefe Spuren hinterlassen. Mit ihrer Wertschätzung, ihrer Herzlichkeit und ihrer Empathie gegenüber den Menschen hat sie die Lebenshilfe zutiefst geprägt. Mit dieser Haltung haben die Menschen sie für ihre Authentizität geschätzt, persönlich gemocht und ihr anvertraut, was ihnen auf dem Herzen lag. Wie die verzweifelten Eltern, die fragten: Was ist mit unserem Kind mit Behinderung, wenn wir selbst nicht mehr können?

Barbara Stamm wollte diesen Eltern Gewissheit geben, dass ihr Kind gut versorgt ist, einen Ort zum Leben hat. Einen Ort, an dem sich ihr Kind zuhause und wohlfühlt. So hat sie sich in den letzten Jahren insbesondere auch für Wohnraum und die Weiterentwicklung von Wohnangeboten für Menschen mit Behinderungen eingesetzt. Entlastung für Familien, Wohnraum für Menschen mit Behinderungen und der gleichberechtigte Zugang zum Gesundheitswesen sind nur einige der vielen Themen, für die sich Barbara Stamm in den vergangenen Jahren stark gemacht hat.

Die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes im Sinne der Menschen war ebenso ein Thema, das Barbara Stamm intensiv vorantrieb. Für sie war klar, dass die Teilhabe niemals an den Kosten scheitern dürfe. Stattdessen war Barbara Stamm zutiefst davon überzeugt, dass Menschen mit Behinderungen und deren Angehörige nicht am Rand der Gesellschaft stehen dürfen sondern mittendrin.

Begegnungen bei einem Glas fränkischem Wein

Mittendrin – das war Barbara Stamm selbst in der Lebenshilfe Bayern. Ob bei Ehrungen für langjähriges Engagement, bei Verabschiedungen von Vorständen, Mitarbeitern sowie bei Jubiläumsfeiern der Mitgliedsorganisationen, Barbara Stamm ließ es sich nicht nehmen, bei allem vor Ort zu sein. Es war ihr wichtig, die Lebenshilfe und deren Einrichtungen bei besonderen Anlässen zu besuchen, um den Menschen vor Ort ihre Wertschätzung zu zeigen.

Für Barbara Stamm war das Merkmal der Lebenshilfe ein Eltern- und Selbsthilfeverband zu sein, enorm wichtig. Das ehrenamtliche Engagement von Menschen, die selbst davon betroffen sind, machte die Lebenshilfe für Barbara Stamm erst glaubwürdig und wahrhaft. Die Gemeinschaft und der Zusammenhalt waren für Barbara Stamm unersetzlich.

Selbst nach einem langen und harten Arbeitstag saß Barbara Stamm für gemeinsame Gespräche und persönliche Begegnungen mit einem Glas guten Wein aus ihrer fränkischen Heimat bis in die frühen Morgenstunden. Wie wichtig ihr diese Begegnungen sowie der Zusammenhalt waren, konnte man auch bei vielen Veranstaltungen des Lebenshilfe-Landesverbandes erleben. Barbara Stamm genoss, ja liebte es, mit der gesamten Lebenshilfe und ihren Weggefährten zu feiern.

Mit Barbara Stamm verliert die Lebenshilfe eine mutige Kämpferin, die sich mit viel Herzenswärme unermüdlich für die Menschen mit Behinderungen und deren Angehörige sowie für die Lebenshilfe eingesetzt hat. Über 20 Jahre hat sie die Lebenshilfe Bayern mit ihrer Persönlichkeit geprägt, ihr ein Gesicht und eine Stimme gegeben. Mit ihrer Zielstrebigkeit, Klarheit und Durchsetzungskraft hat Barbara Stamm viel für die Lebenshilfe Bayern sowie für behinderte Menschen und deren Angehörigen bewegt. Ihr Tod hinterlässt bei der Lebenshilfe Bayern, in der Gesellschaft und in der Politik eine große Lücke.  

Die Lebenshilfe Bayern wird Barbara Stamm mit ihrem großen Herzen und ihrem Mut, Dinge verändern zu wollen, schmerzlich vermissen. Wir verneigen uns in tiefer Dankbarkeit vor ihrem Lebenswerk.



Mit einem Trauerstaatsakt im Würzburger Dom hat Bayern Abschied von der ehemaligen Landtagspräsidentin Barbara Stamm genommen. Die langjährige Vorsitzende der Lebenshilfe Bayern ist im Alter von 77 Jahren in ihrer Heimatstadt Würzburg gestorben. (Foto: Bayerischer Landtag, Stefan Obermaier)